Bild: Vektorisierte Gebäude aus der Erstausgabe der Siegfriedkarte (orange) mit der entsprechenden Rasterkarte im Hintergrund (Quelle: GeoVITe).
Die Plattform GeoVITe stellt topographische Raster- und Vektorkarten, digitale Höhenmodelle und Orthofotos für die Forschung bereit. Roman Walt, der die Nutzer*innen der Plattform betreut und berät, erklärt im Interview, wie sich die Daten von GeoVITe einsetzen lassen, was der Mehrwert gegenüber den Daten von Swisstopo ist – und er erzählt von der witzigsten Anfrage.
GIS Hub: Roman, du bist ursprünglich Soziologe und Historiker, wie bist du zu den Karten und Geodaten gekommen?
Roman Walt: Das war nicht von Anfang so geplant (schmunzelt). Ich hatte während meines Studiums der Geschichte mit alten Beständen zu tun, beispielsweise mit der Zurlaubiana-Sammlung der Aargauer Kantonsbibliothek. Zum Bestand gehören unter anderem Militaria aus dem 17. und 18. Jahrhundert, also Werke der Militärgeschichte oder auch Ausbildungsreglemente der Söldnertruppen. Als dann bei der ETH-Bibliothek eine Stelle als studentische Hilfskraft bei den Alten Drucken frei war, habe ich mich darauf beworben – und sie bekommen. Seither bin ich nicht mehr von der ETH-Bibliothek weggekommen (lacht). Nach dem Studienabschluss erhielt ich eine Festanstellung und 2015 habe ich zu den Karten gewechselt. Die nötige Informatik-Erfahrung hatte ich, weil ich schon als Jugendlicher programmiert habe. Später habe ich Weiterbildungen in Geoinformatik absolviert und bin heute im Bereich GIS und elektronische Karten tätig.
Du betreust heute unter anderem die Plattform GeoVITe, die topographische Raster- und Vektorkarten, digitale Höhenmodelle und Orthofotos für Hochschulen bereitstellt. Wie ist die Plattform entstanden?
Um das Jahr 2000 herum gab es zwar Geodaten, aber ohne Vorwissen war es schwierig, diese Daten anzuschauen und damit zu arbeiten. Ionut Iosifescu-Enescu und seine Frau Cristina vom Institut für Kartographie und Geoinformation an der ETH (IKG) wollten diesen Umstand ändern, damit Forschende weniger Zeit für die Datenvisualisierung und -beschaffung brauchten und mehr Zeit für ihre Projekte zur Verfügung hatten. Ihre Idee war und ist es übrigens heute noch, Geodaten über einen Browser oder eine Webapp schnell und einfach zu visualisieren und beschaffen. So entstand der erste Prototyp von GeoVITe. Später kam die ETH-Bibliothek als Partnerin dazu und die Plattform wurde weiterentwickelt.
Was kann ich mit den Daten von GeoVITe machen?
Alles (lacht). Nein, im Ernst, die Nutzung ist sehr vielfältig. Ich kann die Geodaten für eine einfache Hintergrundkarte für ein Poster oder eine Präsentation, sei es ein Luftbild oder eine Landeskarte, nutzen. Oder ich kann für ein von mir definiertes Gebiet ein oder mehrere Datensätze in einem Klick herunterladen, z. B. einen hydrologischen Datensatz und einen Strassendatensatz. Ich kann aber auch lange Zeitreihen analysieren, um herauszufinden wie sich Zürich seit den 1950er Jahren entwickelt hat, was raumplanerisch im Mittelland passiert ist, wie sich die Bodennutzung verändert hat etc.
GeoVITe-Workshop: Benefits and opportunities of geodata (in English)
March 14, 2023, 12.15-13.45 Uhr
The GeoVITe platform makes geodata available to all UZH researchers and students*. This includes topographic raster and vector maps, digital elevation models and orthophotos of Switzerland. At the workshop, we will show you how to download the geodata from GeoVITe and use it for your project. In addition, you will learn what the difference is to the data from Swisstopo. A few practical examples round off the workshop.
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Die Daten von GeoVITe erinnern stark an das Angebot von Swisstopo. Was kann GeoVITe, was Swisstopo nicht kann?
Ein Vorteil von GeoVITe gegenüber Swisstopo hängt mit dem grad erwähnten Beispiel der beiden Datensätze zusammen, die sich in einem Schritt herunterladen lassen. Bei Swisstopo muss ich jeden Datensatz separat herunterladen und dabei meinen Bereich immer wieder neu auswählen. Hinzu kommt, dass ich bei GeoVITe meinen Bereich frei wählen kann, während ich bei Swisstopo jeweils alle Kacheln herunterladen muss, die in meinem gewünschten Bereich sind oder ihn schneiden, d.h. ich lade immer ein bisschen mehr Daten herunter, als ich brauche, und muss den Bereich später in einem GIS-Programm zuschneiden. Die Handhabung mit GeoVITe ist somit einfacher, schneller und weniger fehleranfällig.
Es gibt noch weitere Vorteile: GeoVITe bietet unterschiedliche Zeitstände von Geodaten an. Ich kann z. B. die Landeskarte aus verschiedenen Jahren herunterladen, während Swisstopo meist nur die neuesten Daten zur Verfügung stellt. Gerade wenn ich Zeitreihen untersuchen möchte, sind diese Daten aus der Vergangenheit sehr wertvoll. Zudem sind sie auch für die Nachvollziehbarkeit der Forschung wichtig.
Schliesslich bieten wir auch kantonale Daten an sowie Daten, die wir weiterverarbeitet haben. Das IKG vektorisiert Daten aus alten Landeskarten, z. B. Gebäude, die man für die Objekterkennung einsetzen kann.
Erfährst du, wie die Daten verwendet werden?
Früher, als die Daten noch nicht offen waren und es einen Publikationsnachweis benötigte, erhielten wir oft Belegexemplare. Heute wird uns ab und zu ein Link zu einem Artikel oder Poster geschickt, in dem Daten aus GeoVITe eingesetzt worden sind. Über Anfragen erfahren wir manchmal, was geplant ist, wenn jemand ein spezielles Format braucht.
Was war das ausgefallenste Projekt, das aus den GeoVITe-Daten realisiert worden ist?
Die witzigste Anfrage kam von jemandem, der die Fliesen in einer Toilette mit Landeskarten ausgestalten wollte. Das war, als die Datennutzung noch nicht offen war, und hat uns spannende Abklärungen beschert. Das Endresultat habe ich leider nie gesehen (lacht).
Was sind eure Herausforderungen in Bezug auf digitale Karten und Geodaten?
Wir möchten die Plattform mehr auf grosse Datenmengen ausrichten. Wenn ich heute für den ganzen Kanton Zürich Daten herunterladen will, geht das nicht so einfach über die Plattform, weil die Infrastruktur nicht leistungsstark genug ist. Neuere Datenprodukte mit extrem hoher Auflösung sind leider auch noch nicht über GeoVITe zugänglich. Man kann diese Daten aber jederzeit bei uns anfragen und wir finden einen Weg, das ist kein Problem.
Swisstopo stellt immer mehr Daten der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung. Werden eure Dienste irgendwann obsolet?
Wenn Swisstopo oder ein anderer (staatlicher) Akteur genau das anbietet, was wir derzeit tun, dann ja. Im Moment deckt sich unser Angebot aber nicht, denn unsere Zielgruppe und unser Zweck sind unterschiedlich. Swisstopo stellt Daten für die Öffentlichkeit zur Verfügung, wir für die Forschung an Hochschulen. Dafür sprechen auch unsere Nutzungszahlen, die über die Jahre stabil geblieben sind, obwohl Swisstopo seit März 2021 digitale Geodaten online kostenlos zur Verfügung stellt.
Wie sehen die Zukunftspläne von GeoVITe aus?
Wir möchten wie erwähnt die Infrastruktur leistungsstärker machen. Weiter möchten wir mehr Datenformate anbieten, weil immer mehr Wissensbereiche mit Geodaten Forschung betreiben, jedoch mit anderen Formaten arbeiten als wir bislang anbieten. Ein Beispiel ist die Architektur, die CAD oder Drawing Exchange Format (DXF) nutzt. Wir konvertieren heute schon in andere Formate, aber manuell und auf Anfrage. Das Ziel ist, zusätzliche Formate wie COG (cloud optimized geotiff), EXIF (ein jpg mit Geoinformationen) oder DXF standardmässig über die Plattform GeoVITe anzubieten und so mehr Forschende zu erreichen.
GeoVITe steht für Geodata Visualization and Interactive Training Environment. Der Name widerspiegelt die ursprüngliche Idee, eine Plattform aufzubauen, über die Geodaten visualisiert und heruntergeladen werden können. In den Anfängen der Plattform um das Jahr 2000 war es nicht möglich, Geodaten ohne zusätzliche Software darzustellen. Die Plattform half den damaligen Nutzerinnen und Nutzern, mit Geodaten umzugehen und zu üben, was das den zweiten Teil des Namens erklärt.
Später wandte sich der Fokus weg vom Training und hin zur Nutzung und Datenbereitstellung. In der Folge wurde das Portal umbenannt in «Geodata Versatile Information Transfer Environment», während das Akronym GeoVITe blieb.
Heute bietet GeoVITe eine Vielzahl an topographischen Raster- und Vektorkarten, digitalen Höhenmodelle und Orthofotos. Die Plattform ist über die Switch edu-ID kostenlos zugänglich.
Roman Walt ist seit 2015 Mitarbeiter Karten und Geodaten bei der ETH-Bibliothek. In dieser Funktion betreut er unter anderem die Plattform GeoVITe, gibt Schulungen und berät Nutzer*innen bei der Anwendung der Daten. Roman sorgt auch dafür, dass neue Datensätze auf die Plattform gelangen. Dafür setzt er z. B. Crowdsourcing-Projekte auf, in denen Freiwillige alten Karten georeferenzieren. Ursprünglich hat Roman Soziologie und Geschichte studiert und war bereits als Student für die ETH, erst bei der Konjunkturforschungsstelle, später in der Bibliothek tätig. Nach seinem Studium hat er ein ergänzendes Diplomstudium in Geoinformatik und ein MAS in Bibliotheks- und Informationswissenschaften absolviert.